Die Opfer der politischen Verfolgung

Nach den Aufzeichnungen des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes wurden 512 Burgenländer und Burgenländerinnen Opfer von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen. Es sind die Namen von 116 Burgenländerinnen und Burgenländern bekannt, die aus politischen Gründen verhaftet wurden und den nationalsozialistischen Terror nicht überlebt haben.

Von diesen Opfern verstarben 55 Personen in Konzentrationslagern oder Polizeigefängnis. Wegen Vorbereitung zum Hochverrat wurden 25 Burgenländer und Burgenländerinnen hingerichtet. 13 Personen wurden von Kriminalpolizei, SS oder Gestapo ermordet. Der Wehrmachtsgerichtsbarkeit fielen sieben burgenländische Soldaten zum Opfer, die als Deserteure hingerichtet wurden bzw. in militärischen Strafkompanien im sinnlosen Kampfeinsatz fielen. Vier Burgenländer verübten in Haft Selbstmord1.

Die häufigsten politischen Delikte, nach denen Burgenländer und Burgenländerinnen von der nationalsozialistischen Justiz abgeurteilt wurden, waren „Vorbereitung zum Hochverrat“, „Wehrkraftzersetzung“ und Verurteilungen wegen Verstöße gegen das „Heimtückegesetz“. Die meisten Todesurteile wurden wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verhängt.
Fast ausschließlich mit Todesurteilen endeten Verfahren wegen „Fahnenflucht“. Besonders gegen Kriegsende verbreiteten Standgerichte Angst und Schrecken. Nicht nur Soldaten der Wehrverbände, auch Zivilisten und ausländische Zwangarbeiter wurden Opfer dieser Art von Schnelljustiz.

Die ersten politisch Verfolgten waren die Anhänger des bürgerlichen Lagers, meist Funktionsträger der Vaterländischen Front. Ihre Haftzeiten betrugen im Durchschnitt nur wenige Wochen. Die Verschickung in ein Konzentrationslager war eher die Ausnahme. Prominentestes Todesopfer war der Landeshauptmann des Burgenlandes Hans Sylvester, der am 19. Jänner 1939 im Lager Dachau umgekommen ist.

Relativ gute Aufzeichnungen gibt es über den Widerstand der katholischen Kirche der Apostolischen Administratur Burgenland. 88 Priester erhielten ein Schul- und Predigtverbot, 20 wurden des Ortes oder des Kreises verwiesen. 23 Priester wurden zu Freiheitsstrafen verurteilt, 4 zu Geldstrafen. Drei Priester wurden ins Konzentrationslager Dachau eingeliefert. Der Pfarrer von Deutsch Tschantschendorf, Alois Dolezal, starb nach seiner Verhaftung im Gefängnis in Graz aufgrund eines Bombentreffers. Pater DDDr. Johannes Capistran Pieller wurde am 23. August 1943 wegen Unterstützung der Antifaschistischen Freiheitsbewegung Österreichs verhaftet und 1944 zum Tode verurteilt. Am 15. April 1945 wurde er im Zuge eines Massakers im Gefangenenhaus Stein, wohin die Gefangenen des Landesgerichts Wien vor den Russen evakuiert wurden, von der SS ermordet2.

Für Kommunisten und Sozialdemokraten war eine illegale politische Tätigkeit ungleich schwieriger. Bekannte Aktivisten standen unter der ständigen Kontrolle des Sicherheitsdienstes (SD). Auf einer im Juni 1938 erstellten Liste der SD-Stelle Eisenstadt befanden sich bereits die Namen Stefan Billes, Ignaz Till, Eugen Horvath und weitere 24 Aktivisten der SDAP und KP 3.Neben Erwachsenen finden sich in den Untergrundzellen junge Arbeiter, frühere Mitglieder der Sozialistischen Arbeiterjugend, Wehrsportler, der Kinderfreunde und Roten Falken. Der Schwerpunkt der illegalen Tätigkeit bestand, von einigen spektakulären Aktionen wie dem Durchschneiden von Fernsprechverbindungen oder dem Fällen der Hitlereiche abgesehen, aus der Produktion und dem Verteilen von Flugschriften, Schmieraktionen und dem Sammeln von Beiträgen für in Not geratenen Genossen.Die Gruppen waren meisten sehr klein und hatten untereinander kaum Kontakt. Mit Beginn des Krieges setzten die Aktivitäten der Widerstandsgruppen ein. Obwohl die Aktionen vergleichsweise harmlos anmuten, ging die Gestapo dennoch mit äußerster Brutalität gegen die linken Widerstandsgruppen vor. Todesurteile und Einweisungen in Konzentrationslage waren die Konsequenz, wenn eine Zelle aufgedeckt wurde. Widerstandsgruppen gab es in Parndorf, Nickelsdorf, Zurndorf, Gols, Parndorf, Frauenkirchen, Halbturn, Mönchof, Siegendorf, Hornstein und Steinbrunn. Die größte Gruppe entstand in Pinkafeld und umfasste Aktivisten aus den Orten Pinkafeld, Tauchen, Oberwart, Bernstein und Stegersbach. Gegen Aktivisten der südburgenländischen Gruppe wurden die meisten Todesurteile im Burgenland gefällt 4.

Knapp 2000 Burgenländer machten nach 1945 Ansprüche nach Opferfürsorgegesetz geltend und wurden für ihre in der Nazizeit erlittenen Qualen von der Republik „entschädigt“. Nur sehr wenige jüdische Burgenländer sind in diesen Akten der Opferfürsorge erfasst. Die meisten von ihnen kehrten nicht mehr in ihre alte Heimat zurück und konnten auch keinen Antrag stellen. Die meisten Opfer hatten die burgenländischen Roma zu beklagen. Ihre Ansprüche auf Entschädigung der erlittenen Qualen wurden als letztes gesetzlich geregelt.

Legende

1Grundlage dafür sind die Opferfürsorgeakten der Sozialabteilung des Landes Burgenland. Hier sind aber nur jene erfasst, die einen offiziellen Antrag im Sinne des Opferfürsorgegesetzes gestellt haben. Jene, die dies nicht getan haben, sind in der Aufstellung nicht enthalten.
2Hanspeter Zelfel: Die Katholische Kirche in: Widerstand und Verfolgung im Burgenland 1934-1945, Wien 1979 S 118 ff
3DÖW 1730 Bericht der SD-Außenstelle Eisenstadt an den SD-Unterabschnitt Wien über Kommunisten und Sozialdemokraten vom 28.6.1938, Widerstand und Verfolgung S 175 f
4Widerstand und Verfolgung S 166 ff