Geschichte der jüdischen Gemeinde und der Synagoge Kobersdorf

Die jüdische Gemeinde von Kobersdorf entstand 1526/1527, als nach der Niederlage des ungarischen Heeres gegen die Osmanen die aus Ödenburg vertriebenen Jüdinnen und Juden in Kobersdorf Zuflucht gefunden hatten. Die angesiedelte jüdische Bevölkerung bekam in der Nähe des Schlosses Grund zugewiesen und musste im Gegenzug für ihr Aufenthaltsrecht Schutzgebühren entrichten. Das jüdische Viertel lag halbkreisförmig an der Westseite des Schlosses, weshalb die Kobersdorfer Jüdinnen und Juden intern den Spitznamen „die Einseitigen“ trugen. Der eng verbaute älteste Teil befand sich zwischen dem Schloss und dem Schwarzenbach. Im 18. Jahrhundert erfolgte eine Erweiterung dieses Wohnviertels in nordwestliche Richtung in der heutigen Neugasse.

So wie Eisenstadt und Mattersburg dürfte Kobersdorf bereits im 16. Jahrhundert eine vollausgebildete Gemeinde mit Synagoge, Friedhof, einem Rabbiner, Schächter, Schulsinger und einem eigenen Gemeindegericht gewesen sein. Im Jahre 1569 wurden immerhin 18 Familien in sieben Häusern gezählt. 1704 gelangte die Herrschaft Kobersdorf und damit auch die jüdische Gemeinde in den Besitz der Familie Esterházy. Als eine der „Sieben Gemeinden“ (Sheva Kehillot) des Burgenlandes stand Kobersdorf fortan unter dem bedeutungsvollen Schutz der Esterházy. So konnte sich das jüdische Leben hier zu besonderer Blüte entfalten, die Kobersdorfer Gemeinde galt bald als die frömmste unter den „Sieben Gemeinden“. Im Jahr 1735 lebten 184 Jüdinnen und Juden im Ort und im Jahr 1828 konnte mit 746 Personen mosaischen Glaubens die Höchstzahl an Gemeindemitgliedern festgestellt werden. Das gesellschaftliche jüdische Leben war vielfältig: Es gab eine Jeschiwa (Tora-Hochschule), einen Sportverein und ein jüdisches Salon-Orchester. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts nahm die Einwohnerzahl stetig ab, bis im Jahr 1934 nur mehr 172 Jüdinnen und Juden in Kobersdorf gezählt wurden.

In den Tagen der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten kam es auch in Kobersdorf zu Ausschreitungen gegen jüdische Familien. SA-Männer zwangen Juden bei der Brücke über den Schwarzenbach die Straße aufzuwaschen. Die Verhafteten wurden in das Gefängnis von Oberpullendorf gebracht und dort gezwungen, Verzichtserklärungen über ihr gesamtes Vermögen zu unterschreiben und Kobersdorf zu verlassen. Ihr Besitz wurde beschlagnahmt und „arisiert“. Der letzte Rabbiner Simon Goldberger wurde 1938 über die „Grüne Grenze“ nach Ungarn deportiert. Im Sommer 1938 befanden sich keine Jüdinnen und Juden mehr in Kobersdorf.

Die Zahl der Shoah-Opfer kann nur geschätzt werden. Man geht davon aus, dass von den 223 Mitgliedern der jüdischen Gemeinde von Kobersdorf 155 in den Ghettos und Vernichtungslagern der Nationalsozialisten zu Tode kamen. Nur drei Überlebende kehrten nach 1945 nach Kobersdorf zurück.

Eine erste Synagoge dürfte es in Kobersdorf bereits im 16. Jahrhundert gegeben haben. Nach einem Brand im Jahr 1857 und aufgrund des großen Anwachsens der jüdischen Gemeinde erfolgte der Neubau des Tempels an einem geeigneteren Standort direkt gegenüber des Schlosses. Treibende Kraft für den Neubau der Synagoge dürfte der Rabbiner Abraham Shag Zwebner gewesen sein. Am 11. April 1860 wurde der Tempel im Beisein von Vertretern aller burgenländischen Kultusgemeinden feierlich eröffnet. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Synagoge zählte die jüdische Bevölkerung 600 EinwohnerInnen, was 40% der GesamteinwohnerInnen darstellten.

In den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts war Kobersdorf ein sehr beliebter Ort der Sommerfrische, nicht zuletzt auch wegen des Mineralwassers. Zahlreiche jüdische Sommergäste aus Wien und Umgebung kamen regelmäßig in die damals bereits voll ausgebildete Gemeinde. Bis zum Jahr 1938 galt das Gebetshaus als Mittelpunkt des jüdischen Lebens in Kobersdorf.

Im Zuge der Reichspogromnacht des 9. November 1938 wurde der Tempel von den Nationalsozialisten verwüstet und die gesamte Inneneinrichtung zerstört. Allerdings entschied man sich, die Synagoge nicht in Brand zu stecken. Warum das so war lässt sich nicht eindeutig sagen, jedoch findet man in der Literatur zwei Erklärungsansätze. Einige Quellen deuten darauf hin, dass man bei der Verbrennung des Gebäudes die Zerstörung des benachbarten Schlosses mit seiner Holzschindeldeckung befürchtete. Andererseits wird auch behauptet, dass die geplante Sprengung vom Sprengmeister verweigert wurde, weil bei der Sprengung der Synagoge Deutschkreutz ein Kind getötet wurde.
Das Schicksal der nahegelegenen Synagogen von Deutschkreutz und Lackenbach, die im Jahr 1941 gesprengt wurden, blieb der Kobersdorfer Synagoge jedenfalls erspart. Die örtliche SA nutzte das Gebäude als Turnhalle und SA-Heim und so überstand es vergleichsweise unbeschadet die Zeit des nationalsozialistischen Terrors.

Die Synagoge gelangte schließlich im Restitutionsweg in den Besitz der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. Der Gebäudezustand verschlechterte sich in den folgenden Jahrzehnten daher zusehends. 1974 stürzte schließlich ein Teil des mittlerweile schwer sanierungsbedürftigen Daches ein, und das Land Burgenland sowie das Bundesdenkmalamt übernahmen die Kosten für die Sanierungsmaßnahmen. Im Jahr 1994 erwarb ein privater Verein das Gebäude. Im Jahr 2010 folgte die Unterschutzstellung durch das Bundesdenkmalamt.

Im Jahr 2019 erwarb das Land Burgenland die (ehemalige) Synagoge Kobersdorf und begann nach einer fast einjährigen Planungsphase im Herbst 2020 mit der Generalsanierung, die im Jahr 2022 abgeschlossen wurde.

Die Architektur des freistehenden Gebäudes stellt ein gutes Beispiel für den Synagogenbau im 19. Jahrhundert dar. Es ist im Stil des Historismus errichtet worden und weist maurisch-byzantinische Details an den Außenfronten und weite Rundbogenfenster auf. Bei dem Gebäude handelt es sich um einen neoromanischen Bau mit Satteldach und rechteckigem Grundriss. Die für die jüdische Religion vorgeschriebene Ausrichtung nach Osten konnte nicht exakt eingehalten werden, da sich die Lage der Synagoge am Straßenverlauf orientiert.

Die Vorhalle des ehemaligen Gebetshauses kann sowohl durch einen Haupteingang als auch durch einen Seiteneingang, der den Männern vorbehalten war, betreten werden. Im Eingangsbereich befindet sich das Waschbecken und von hier aus gelangt man weiter in den Betraum der Synagoge. Die an drei Seiten angeordnete Frauenempore kann nur durch einen Seiteneingang und über eine Wendeltreppe erreicht werden.

Nach der Eröffnung des Gebetshauses galt dieses lange Zeit als Mittelpunkt des jüdischen Lebens in der Gemeinde Kobersdorf. Belege aus dem Burgenländischen Landesarchiv zeugen davon, dass die Synagoge Mitte der 1920er Jahre eine elektrische Beleuchtung in Form von Kerzenlampen und einer Außenbeleuchtung über dem Tempeleingang erhalten hat. Außerdem liefern historische Quellen Hinweise darauf, dass früher auf dem Grundstück ein Nebengebäude stand. Da der Standort der „Mikwa“, des rituellen Tauchbades der Juden, nicht bekannt ist, gehen Überlegungen in die Richtung, dass dieses sich etwa im Nebengebäude befunden haben könnte.

Im Laufe der Zeit verlor die Kultusgemeinde zusehends jüdische Mitglieder und somit auch ihre Steuerzahler und Spendengelder. 70 Jahre nach ihrem Bau bedurfte die Synagoge jedoch einer grundlegenden Renovierung. Da die finanziellen Mittel zu diesem Zeitpunkt nicht zur Verfügung standen, wurden einige kleine Reparaturen vorgenommen. Doch einige Jahre später kam die Kultusgemeinde nicht umhin ein Darlehen aufzunehmen.

Während der Kriegsjahre blieb das Gebäude zumindest äußerlich in einem nahezu unveränderten Zustand. Es kam jedoch zu einem Totalverlust der Innenausstattung des Hauptraums und auch Fenster und Türen wurden zerstört. Darüber hinaus konnte weder der Verbleib der Kultgegenstände noch der wertvollen Einrichtungsgegenstände (z.B. Decken– und Wandleuchter) völlig geklärt werden. Fest steht, dass der Thoraschrein und die Bänke zur zweckentsprechenden Benützung der Räume für die Turnübungen der SA entfernt wurden. Die Weihetafel („Schiwiti-Tafel“) etwa wurde auf dem Dachboden des Nachbarhauses gefunden.

Nach dem Krieg ging das leerstehende Gebäude im Jahr 1948 an die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG Wien) über. Jahrzehntelang war das Denkmal dem fortschreitenden Verfall preisgegeben, bis 1974 ein Teil des Daches einstürzte. Daraufhin stellten das Bundesdenkmalamt und die Burgenländische Landesregierung die finanziellen Mittel für die Notinstandsetzung des Daches bereit.

Neben der Sanierung des Dachstuhls wurden 1998/1999 auch die Dachrinnen und Fallrohre aus Kupfer erneuert. Die Substanz des Gebäudes war damit weitgehend optimal geschützt. Allerdinsg wurden im Rahmen dieser Sanierung statische Probleme am ehemaligen Gebetshaus festgestellt. Bei der Untersuchung des Deckengewölbes wurden Risse in den Gurtbögen und an den Ansätzen der daran angrenzenden Gewölbe konstatiert, was auf die fehlende Dippelbaumdecke im hinteren Bereich der Frauenempore zurückzuführen war. Im Jahr 2003 konnte die Dippelbaumdecke zwischen der Frauenempore und den Vorräumen wiederhergestellt werden.

Die Synagogenfenster wurden im Jahr 2002 begutachtet. Es stellte sich heraus, dass dies zu den aufwendigsten Sanierungsmaßnahmen zählt, auch deshalb, weil die Anordnung der farbigen Glasflächen von einem zum anderen Fenster variieren.

Im Jahr 2019 erwarb das Land Burgenland die (ehemalige) Synagoge Kobersdorf und begann nach einer fast einjährigen Planungsphase im Herbst 2020 mit der Generalsanierung.

Ziel der Sanierung war die Herstellung des ursprünglichen Zustandes zum Zeitpunkt der Eröffnung im Jahr 1860. Das Gebäude sollte seine symbolische Kraft als eines der letzten Zeugnisse der jüdischen Kultur des Burgenlandes nicht einbüßen und gleichzeitig auch die Erfordernisse eines modernen Veranstaltungszentrums erfüllen.

Um eine solche „alterswertige“ Sanierung zu ermöglichen wurde das Objekt intensiv bautechnisch erforscht. Die in der NS-Zeit zerstörten Luster wurden auf Grundlage von alten Fotos angefertigt, die Wandfarben und Fassade entsprechen dem Original von 1860.

Die Gesamtkoordination des Projektes oblag der Landesimmobilien Burgenland GmbH, die restauratorischen Aufgaben wurden vom Bundesdenkmalamt koordiniert und die architektonische Konzeption und Umsetzung erfolgte durch Architekt DI Anton Mayerhofer. Um den Betrieb als jüdisches Kultur- und Bildungszentrum möglich zu machen, wurde der Bau eines Nebengebäudes erforderlich.

Die ca. 200 m2 große Fläche im Innenraum der Synagoge bietet heute max. 140 Personen Platz.