Das Burgenland in der Zwischenkriegszeit 1922 bis 1934

1922

Am 18. Juni findet die erste Landtagswahl im Burgenland statt. Nach dem Verlust von Ödenburg müssen die Landesbehörden provisorisch untergebracht werden; die Landesregierung residiert in angemieteten Villen in Bad Sauerbrunn, einem vor dem Ersten Weltkrieg florierenden Kurort, während der Landtag im ehemaligen k. k. Kadetteninstitut in Eisenstadt, der heutigen Martinskaserne, tagt. Die Überleitung von den ungarischen auf die österreichischen Rechtsverhältnisse gestaltet sich überaus schwierig und kann nur allmählich und mit Hilfe zahlreicher Übergangsbestimmungen geschehen.

Die katholische Kirche richtet zur Verwaltung der burgenländischen Pfarren die Apostolische Administratur Burgenland ein. Nominell gehört das Burgenland nach wie vor zu den ungarischen Diözesen Raab (Gyõr) und Steinamanger (Szombathely), was aber durch die Gründung der Apostolischen Administratur Burgenland in der Praxis ohne Bedeutung ist.

1923

Höhepunkt der Massenauswanderung in die USA. Die Wanderungsbewegung hat schon in den 1870er Jahren im Seewinkel begonnen und in den 1890er Jahren das spätere Südburgenland erfasst. Allein im Jahr 1923 wandern 6800 Burgenländer nach Übersee aus. Der Güssinger Bezirk, das von der Emigration am stärksten betroffene Gebiet, verliert vom Beginn der Auswanderung bis 1939 rund ein Viertel seiner Bevölkerung.

1924

Einrichtung der evangelischen Superintendentur Burgenland. Die evangelische Kirche vollzieht damit den Übergang des Burgenlandes von Ungarn nach Österreich nach.

1925

Der burgenländische Landtag wählt in einer Kampfabstimmung am 30. April Eisenstadt zum künftigen Sitz der Landesregierung. Zuvor hat es einen regelrechten Wahlkampf gegeben; der Hauptkonkurrent Mattersburg zieht unmittelbar vor der Abstimmung seine Kandidatur zurück, um mit dem nahen Bad Sauerbrunn eine Doppelkandidatur zu betreiben. Pinkafeld ist von vorneherein chancenlos.

Eröffnung der Eisenbahnverbindung Pinkafeld-Friedberg als Verlängerung der Eisenbahnlinie Steinamanger (Szombathely)-Oberwart-Pinkafeld. Über die Aspangbahn ist das Südburgenland nunmehr mit Wien verbunden.

1927

Die Schüsse von Schattendorf: Als Provokation gegen eine Versammlung der rechtsgerichteten Frontkämpfervereinigung am 30. Jänner veranstaltet der sozialdemokratische Republikanische Schutzbund einen gleichzeitig stattfindenden Aufmarsch. Als die Situation eskaliert, fallen Schüsse, die zwei Todesopfer und mehrere Verletzte fordern. Der Freispruch der Angeklagten löst am 15. Juli schwere Krawalle in Wien aus, in deren Zuge der Justizpalast in Flammen aufgeht. Im Gegensatz zur Bundespolitik bemühen sich die politischen Parteien im Burgenland allerdings weiterhin um ein konstruktives Gesprächsklima.

Bei einer Werbeveranstaltung für den Neusiedler See wird erstmals der Werbe-Slogan „Meer der Wiener“ geprägt. Die Österreichischen Bundesbahnen richten einen durchgehenden Zugsverkehr von Wien nach Neusiedl am See (die so genannten „Bäderbahnen“) ein.

1928

Angesichts der ausgesprochen ungerechten Besitzverteilung der landwirtschaftlichen Nutzflächen im Burgenland nimmt die Frage einer Bodenreform eine dominante Rolle im Wahlkampf zur Landtagswahl ein. Den Ankündigungen folgen aber keine konkreten Taten der in dieser Frage zerstrittenen Parteien.

1929

Feierliche Eröffnung des neu errichteten Landhauses (Sitz des Landtages und der Landesregierung) in Eisenstadt am 14. Dezember. Die Übersiedlung der Landesverwaltung von Bad Sauerbrunn nach Eisenstadt dauert noch bis März 1930.

1934

Auch im Burgenland tritt die ständische Verfassung in Kraft. Außer der Einheitspartei „Vaterländische Front“ werden alle politischen Organisationen aufgelöst. An Stelle der Parteien entsenden nun Berufs- und Interessensvertretungen Abgeordnete in den Landtag, dessen Einfluss auf die Gesetzgebung in der Praxis unbedeutend ist.